Was Netzhautimplantate für Erblindete bringen

Was verspricht die Cyborg-Technologie?

Mikrokameras am Auge, Mikrochips auf der Netzhaut oder Mikroelektroden in der Sehrinde: Handelt es sich hierbei um Science-Fiction und Cyborg-Ausstattungen oder um realistische Medizintechnologie? Können solche Netzhautimplantate Erblindeten tatsächlich helfen?

Ein Auge wird mit futuristischen High-Tech Darstellungen gezeigt.

Medizinisches High-Tech soll helfen, Erblindeten ihren Blick auf die Welt zurückzugeben. Es gibt verschiedene Ansätze und Technologien der Netzhautimplantate, die allerdings noch Hürden überwinden müssen.

Subretinale Netzhautimplantate

Vor allem in den letzten zwei Jahrzehnten wurde verstärkt an Netzhautimplantaten geforscht. So etwa an einem subretinalen, also unterhalb der Netzhaut angebrachten Implantat der deutschen Retina Implant AG. Die wichtigste Voraussetzung dafür: Die Netzhaut und der Sehnerv der erblindeten Person müssen noch in der Lage sein, Signale an das Gehirn zu senden. Wie etwa bei Personen, die an Retinitis Pigmentosa erkrankt sind – eine degenerative Netzhauterkrankung, bei der die Photorezeptoren der Netzhaut absterben. Weltweit gibt es rund drei Million Menschen, die darunter leiden.  

Wieder Hell-Dunkel-Kontraste

Das Netzhautimplantat besteht aus Photodioden, die elektrische Signale über den Sehnerv weiterleiten und so Seheindrücke im Gehirn hervorrufen. Da das Implantat keine eigene Energiequelle besitzt, wird unter der Haut ein Kabel von den Photodioden zu einem an der Schläfe im Schädelknochen verankerten Empfänger verlegt. Der wiederum ist mit einem kleinen, externen Empfängergerät verbunden, um das Implantat mit Energie zu versorgen.

Menschen, denen diese Technologie verpflanzt wurde, waren daraufhin in der Lage, sich anhand von Hell-Dunkel-Kontrasten im Alltag zu orientieren und sogar besonders grosse Schriftzeichen zu erkennen.

Da die erzielten Ergebnisse jedoch weit hinter den Erwartungen der Forscher zurückblieben, gab die Retina Implant AG im vergangenen Jahr – nach 16 Jahren Forschung – das Ende der Produktion ihres Alpha AMS Implantates bekannt.

Epiretinale Netzhautimplantate

Vermutlich aus ähnlichen Gründen stellte auch das US-amerikanische Konkurrenzunternehmen Second Sight 2019 die Produktion des epiretinalen Implantat-Systems Argus II ein. Dabei handelt es sich um eine Miniaturkamera an einem Brillengestell. Die Kameraaufnahmen der Umgebung werden in elektrische Signale umgewandelt und dann über den Brillenbügel an einen in die Netzhaut implantierten Chip weitergeleitet. Die dort noch vorhandenen Netzhautzellen werden stimuliert und Lichtreize über den Sehnerv an das Gehirn weitergeleitet. 

Die Welt wieder voll und ganz mit den eigenen Augen sehen zu können, scheint trotz Science-Fiction-ähnlicher Technologien erstmal noch Zukunftsmusik zu bleiben.

ORION – Technologie von einem anderen Stern?

Das Unternehmen konzentriert sich nun auf ihr neues ORION-System – das nicht nur ein Mythos werden soll. Es handelt sich um einen neuen Ansatz, bei dem Auge und Sehnerv übergangen und das Implantat in der Sehrinde des Gehirns verpflanzt wird, um dort durch elektrische Impulse die Wahrnehmung von Lichtmustern und Kontrasten zu ermöglichen.

Weil eine intakte Reizweiterleitung über den Sehnerv dabei keine Rolle mehr spielt, könnte das System, das 2018 zu einer ersten Testphasen zugelassen wurde, auch jenen helfen, die aufgrund nicht genetischer Ursachen erblindet sind – weltweit sind das rund 6 Millionen Menschen.

Auch wenn das Erkennen von Umrissen und Kontrasten im Alltag von Erblindeten eine grosse Erleichterung darstellt – die Welt wieder voll und ganz mit den eigenen Augen sehen zu können, scheint trotz Science-Fiction-ähnlicher Technologien erstmal noch Zukunftsmusik zu bleiben.

Derzeit sind keine entsprechenden Netzhautimplantate auf dem Markt erhältlich und bei den bisherigen Kosten im Bereich von rund CHF 85’000 (Alpha AMS) werden selbst zukünftige Technologien nur einem Bruchteil der Erblindeten weltweit die Chance bieten, selbige zumindest in Umrissen wieder mit eigenen Augen sehen zu können.

Samantha Happ

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