Smart-Assistant-Technologien und ihr Einfluss bei Sehbehinderungen
Smart-Gadgets und Sehbehinderung – Hilfe oder Hürde?
Moderne Hilfsmittel und Technologie können heute zur Selbstständigkeit im Alltag von Menschen mit einer Sehbehinderung beitragen. Vor- und Nachteile von Smartphones und Smart Homes erklärt Stephan Hüsler, Geschäftsleiter der Retina Suisse.
Zur Selbstständigkeit im Alltag von Menschen mit Sehbehinderung kann Künstliche Intelligenz einiges beisteuern, wie etwa der HomePod von Apple, Google Home oder ausserhalb der Schweiz, Amazons Echo. Mit «Hey Siri», «Ok Google», oder «Alexa» lassen sich heute via Smart Home Funktionen zahlreiche darauf ausgerichtete Haushalts- und Küchengeräte alleine durch Sprachsteuerung bedienen.
«Hey Siri, schalte die Kaffeemaschine an und mache mir einen Latte Macchiato, dann rufe Stephan Hüsler von Retina Suisse an.»
Stephan Hüsler bekam 2001 die Diagnose Retinitis Pigmentosa, seit dem hat seine Sehkraft stark nachgelassen. Während Blindenhund Neo ihn im Alltag tatkräftig unterstützt, unterstützt Hüsler als Geschäftsleiter der Selbsthilfeorganisation Retina Suisse andere Erkrankte im Umgang mit ihrer Diagnose.
Auf meine Frage, ob Smartphones und Künstliche Intelligenz viele der eigens für blinde und sehbehinderte Menschen entwickelten Geräte obsolet machen, antwortet er:
«Ich möchte diese beiden Technologien nicht gegeneinander ausspielen, jede hat ihren Platz im Alltag von Menschen mit Sehbehinderungen. Ich habe auch ein iPhone und ich benutze die Voiceover Funktion. Ab und zu benutze ich auch Siri und bin ganz glücklich darüber, denn so habe ich Zugang zu sehr vielen Informationen, die ich sonst nicht hätte. Dann gibt es halt die anderen Softwares, die man benutzen kann, die aber eben nicht eingebaut sind. Bei Windows zum Beispiel, gibt es ja auch die Vergrösserung und Sprachausgabe, die sind nicht schlecht, aber sie sind auch nicht ganz so gut wie speziell dafür entwickelte Programme.»
Vor allem der heute jüngeren Generation werden Smartphones und Smart Homes zunehmend Unterstützung im Alltag geben. Für Ältere stellt diese Technologie bisher jedoch oft nur eine zusätzliche Hürde dar. Sich allerdings ausschliesslich auf Technologie zu verlassen, kann auch Schwierigkeiten mit sich bringen:
Ich arbeite oft noch mit Brailleschrift, also mit der Blindenschrift. Denn mit der Papierversion bin ich unabhängig von der Elektronik. Der Laptop muss mir nur mal runterfallen, dann bin ich aufgeschmissen.
So ein Akku geht schliesslich auch schnell mal leer, dann hilft es oft, auf traditionellere Methoden zur Orientierung zurückgreifen zu können.
Schweizer Behindertengleichstellungsgesetz
Umso wichtiger ist vor diesem Hintergrund das Behindertengleichstellungsgesetz, das 2004 von der Regierung verabschiedet wurde. Mit einer Frist von 20 Jahren sollte – so der Plan – der öffentliche Raum bis 2023 barrierefrei gestaltet werden «unter anderem sollen alle Infotafeln und Ticketautomaten nach diesem Gesetz barrierefrei werden. Zwar hat man heute eine Telefonnummer, die man anrufen kann, um ein Ticket am Automaten zu kaufen, doch wenn das Call Center mal nicht besetzt ist, kriegt man auch kein Ticket. Vieles ist lange noch nicht so, wie man es gerne hätte».
Auch flächendeckend genormte Bordsteine an Gehwegen, ein barrierefreier, öffentlicher Nahverkehr oder akustische Ampelsignale bringen Erleichterungen im Alltag – und zwar nicht nur für blinde oder sehbehinderte Menschen. Achten Sie doch mal auf die Barrierefreiheit auf Ihren alltäglichen Wegen – leider sind es nämlich vor allem die Sehenden, die blind sind für die Hürden, denen sich Menschen mit Beeinträchtigungen im Alltag stellen müssen.
Samantha Happ
0 Kommentare