Virtuelle Realitäten – was kommt auf uns zu?

Unser geklontes WIR im digitalen Universum

Virtual Reality-Brillen versetzen uns schon seit Jahren in die Lage, in digitale Welten einzutauchen und uns in diesen zu «bewegen». Jetzt geht die Technologie der Brillen den nächsten Schritt und ganz bald werden unsere Avatare uns ähnlicher sehen als ein Zwilling.
Ein Profilbild einer jungen Frau mit braunen, langen Haaren. Allerdings ist die linke Hälfte des Porträts ein echtes Foto und die rechte Hälfe ein Avatarbild. Das Avatarbild ist digital hergestellt. Das Auge der Frau ist viel grösser, die Lippen voller und die Nase schmäler.
Das bin ja ich! Wie kann denn das nur sein? Diese Frage werden wir uns bald öfter stellen, und zwar immer dann, wenn wir dem Zeitvertreib des Computerspiels nachgehen. So werden wir in naher Zukunft digitale Abbilder unser selbst nutzen, um in virtuellen Welten zu kämpfen, zu handeln, zu agieren. Das zumindest behauptet Michael Abrash und der weiss, wovon er spricht. Schliesslich ist er Forschungschef bei Facebook. In seinen Augen sind die sogenannten «Codec Avatare» kein Wunschgedanke mehr. Die immer modernere Technik in VR-Brillen macht es möglich, dass wir bald unsere virtuellen Spielfiguren nicht mehr konfigurieren (müssen). Auch in den digitalen Welten wird uns in der Zukunft das Gesicht anlächeln, das schon am Morgen aus dem Spiegel grüsst.

Der Avatar als bester Freund

Beginnen wir doch zunächst mit einem Mini-Exkurs in Sachen «Avatar». Das Wort entstammt dem Sanskrit, demnach der heiligen Sprache. Gemeint ist mit dem Begriff eine virtuelle Person oder Figur, mit der man in einem Computerspiel oder einer anderen digitalen Anwendung agiert.

Der eigene Avatar lässt sich ganz nach Wunsch kreieren. So kann es dann auch unverhofft passieren, dass er zum engen Freund wird.
Schon heute können diese Avatare vom Menschen detailliert konfiguriert werden. Aussehen und Ausstattung lassen sich ganz nach den eigenen Wünschen gestalten – kostenlos oder für besondere Ausstattung auch gegen Bezahlung. Kein Wunder, dass einige Gamer enge Bindungen zu ihren digitalen Spielfiguren aufbauen. Psychologische Tests haben gezeigt, dass sich Spieler von Computer-Games emotional so eng mit dem Avatar verbunden fühlen wie mit ihrem besten Freund oder der besten Freundin.

Der Avatar als das perfekte Abbild

Die neue Technik und die konstante Weiterentwicklung basierend auf der Digitalisierung sorgen nun dafür, dass wir uns einen Avatar nicht mehr konzipieren müssen. In der Zukunft werden VR-Brillen in der Lage sein, so viele Daten zu sammeln und auszuwerten, dass wir uns selbst in die virtuelle Welt katapultieren können. Quasi ein digitales Abbild unser selbst. Das mag den einen erschrecken, den anderen erfreuen. Fakt ist, dass es die virtuelle Welt und unser Empfinden sich darin zu bewegen noch einmal auf ein neues Level hebt. Mal ganz abgesehen von der Frage, welche psychologischen Ergebnisse sich dann in der Studie zeigen. Denn kann ein Klon wirklich zu einem besten Freund werden, wenn er uns aus dem Gesicht geschnitten ist?

Der Avatar als Echtzeitprodukt

Was uns an dieser Stelle derzeit am meisten interessiert, ist die Technik, die hinter diesen neuen Möglichkeiten steckt. Abrash und das Team der Forschungsabteilung arbeiten derzeit mit Prototypen von VR-Brillen. Diese sind in der Lage, unsere Gesichtsmimik noch sensibler aufzunehmen und im zweiten Schritt auf das digitale Abbild zu übertragen. Und das in Echtzeit. Zudem muss mittels weiterer Technologie der gesamte Körper gescannt werden – ebenfalls live und am besten in Farbe.

Dies wird heute noch mit klassischen RGB-Kameras gemacht, die die Aufnahmen durch einen KI-Algorithmus – also künstliche Intelligenz – in ein 3D-Modell umwandelt. Logistisch ist das derzeit noch ein echtes Hammerprojekt. Das Facebook-Aufnahmestudio, das auf den Namen «Sociopticon» hört, umfasst 180 Kameras. Diese produzieren rund 180 Gigabyte Daten pro Sekunde. Es wird daher nicht nur ein Studio im Maxiformat benötigt, sondern auch ein Server mit Kapazitäten, die wir daheim nicht bewerkstelligen können.

Rendering von einem Gesicht. Feines Liniengitter überzieht das künstliche Gesicht. Ein Teil ist schon fertig ausgefüllt und in Farbe.

Der Avatar der nahen Zukunft

Fakt aber ist, dass der Codec Avatar kommen wir. Zuerst als Prototyp, dann als ausgereiftere Version. Und am Ende werden die Experten ihn immer weiter perfektionieren. Das war mit dem Handy so, mit dem Computer und auch unsere Fernseher verloren schnell ihre dicken Bäuche und tragen heute Grösse «ultra-slim». Interessant wird sein, wie wir Menschen auf die neue Technik reagieren und vor allem auch unsere Sinne da mitspielen. Denn VR-Brillen fordern unsere Augen heraus. Doch wie die Technik entwickeln auch wir uns weiter. Wie sinnvoll sich das gestaltet, werden wir im wahrsten Sinne des Wortes sehen. Bis dahin lächeln wir uns doch einfach jeden Morgen gerne selbst im Spiegel an – das soll bekanntlich die Laune heben.

Wilma Fasola

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