Augenheilkunde in der Antike
Gut gemeinte Absichten: Augenheilkunde in der Antike
Wenn jemand im Altertum am Auge erkrankte, hatte er ein grosses Problem. Die Augenheilkunde gehört zwar zu den ältesten Teilbereichen der Medizin, doch wirkliches Wissen der «Ophthalmologie» (griechisch für «Augenkunde») blieb lange Zeit beschränkt.
Spätestens seit dem Entstehen der ersten grossen Zivilisationen versuchten die Menschen, Mittel gegen Erkrankungen des Auges, dieses kostbaren Organs, zu finden. Immer wieder wurde Blindheit beschrieben und nach deren Ursachen gesucht. Man wusste bereits, dass sie angeboren sein oder infolge verschiedener Ursachen – Krankheiten, Gifte, Erschöpfung, Epidemien – auftreten konnte. Trotzdem:
«Was uns das Altertum an Augenheilkunde bietet, sind gut gemeinte Absichten ohne ernste Erfolge und zielsichere Tat»,
schrieb 1935 ein P. Martell, vermutlich Historiker in Berlin, salopp.
Zehn Schekel Silber für eine geglückte Augenoperation
Um 1754 v. Chr. liess der babylonische Herrscher Hammurapi auf zwei Meter hohen Steelen aus schwarzem, poliertem Basalt den Kodex Hammurapi einmeisseln. Die in Keilschrift verfasste Gesetzessammlung – heute im Louvre in Paris ausgestellt – umfasst fast 300 Vorschriften. In ihr finden sich auch Bestimmungen betreffend Augenoperationen und die dafür vorgesehene Entlöhnung:
«Wenn ein Arzt einem Bürger eine schwere Wunde mit dem Operationsmesser beibringt und den Bürger heilt, soll er zehn Schekel Silber erhalten»,
heisst es da. Im Fall einer Heilung von Palastangehörigen waren fünf und für Sklaven zwei Schekel vorgeschrieben.
Im Alten Ägypten arbeiteten bereits auf Augenheilkunde spezialisierte Ärzte. Das wissen wir aus Therapieanweisungen zur Heilung von Augen, die auf Papyrus gefunden wurden. Alexandria war von 200 v. Chr. bis 200 n. Chr. das medizinische Zentrum der oberägyptischen, griechischen, indischen und vorderorientalischen Welt. Dort legten Gelehrte Rezeptsammlungen zur Behandlung von Augenleiden an. Die Anweisungen blieben aber schlicht und sind von eher geschichtlichem als medizinischem Wert.
Die Griechen und die Augenheilkunde
Bereits weiter fortgeschritten war die Augenheilkunst der Alten Griechen. Der Arzt Hippokrates von Kos gilt als Begründer der Medizin als Wissenschaft. Er führte eine Lehre ein, die auf Vernunft und Naturbeobachtung basieren sollte. Auch wenn viele hippokratische Vorstellungen krankhafter Vorgänge und Zustände heutzutage nicht mehr haltbar sind, revolutionierten Hippokrates‘ Erkenntnisse die Medizin. Von bösen Göttern und magischen Naturkräften verursachte Krankheiten gehörten fortan ins Märchenland. Jedenfalls, wenn es nach Hippokrates und seinen Anhängern ging. Stattdessen stellten sie den Menschen ins Zentrum ihrer Überlegungen.
Ein Arzt solle seine Diagnose aufgrund sorgfältiger Beobachtung, Befragung und Untersuchung stellen, forderten sie.
Auch Lebensumstände und Befindlichkeit des Patienten müssten berücksichtigen werden, um eine angemessene Therapie anordnen zu können.
Hippokrates revolutionierte die Medizin – er stellte den Menschen ins Zentrum
Nach Hippokrates ist der Corpus Hippocraticum benannt, ein Sammelwerk aus rund 70 Schriften, die vorwiegend zwischen 430 und 350 v. Chr. verfasst wurden. Wenn sich auch keine davon eindeutig Hippokrates zuweisen lässt, so spiegeln sie doch das Wissen der Zeit wider. Die Schriften enthalten Therapieanweisungen und Aufzeichnungen von Krankengeschichten. Auch Augenerkrankungen werden im Corpus Hippocraticum ausführlich besprochen, beispielsweise das Schielen oder Augenentzündungen. Die vorgeschlagenen Massnahmen zur Behandlung der Krankheiten seien jedoch, um es erneut mit dem Berliner Historiker zu sagen, «nur dürftig».
Weitere Griechen des Altertums waren wegweisend: Aristoteles fand heraus, dass die sich im Inneren des Auges befindliche Flüssigkeit als eine Art dioptrischer Apparat wirkt und so das auf das Auge fallende Licht bricht. Alkmaion aus Kroton beschrieb als erster den Sehnerv. Und noch ein anderer Grieche war im Alten Rom für einen Meilenstein in der Geschichte der Augenheilkunde verantwortlich. Der bedeutende Chirurg Antyllos soll um 140 n. Chr. den Grauen Star operiert und andere Eingriffe durchgeführt haben.
Augenheilkunde bleibt Glückssache
Trotzdem: Die Heilung von Augenerkrankungen blieb während der Antike vermutlich Glückssache. Es ist anzunehmen, dass ein grosser Teil der Menschen keinen regelmässigen Zugang zu augenheilkundlicher Behandlung hatte. Sei es, weil höchstens hin und wieder einmal ein Wanderarzt durch das eine oder andere ländliche Dorf zog. Sei es, weil medizinische Versorgung den oberen Schichten vorbehalten blieb.
Glückssache blieb wohl auch das Schicksal der Augenärzte. Im bereits erwähnten Gesetz von Hammurapi heisst es nämlich weiter:
«Wenn ein Arzt einem Bürger eine schwere Wunde mit einem Operationsmesser beibringt und den Tod des Bürgers verursacht oder wenn er die Schläfe eines Bürgers mit dem Operationsmesser öffnet und das Auge des Bürgers zerstört, soll man ihm eine Hand abhacken.»
Sandra Schweizer Csillany
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